Verschiedene Blickwinkel
Die Funktion von Kinder- und Jugendarbeit lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln beschreiben:
- Bildung:
Junge Menschen bilden sich in den Aktivitäten der Jugendarbeit. Sie erwerben unterschiedliche Kompetenzen, die sie in der Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und auf die sie in ihrem späteren Leben zurückgreifen können. - Erziehung:
Kinder und Jugendliche lernen Einstellungen und Fertigkeiten, die aus der Sicht von Erwachsenen als wertvoll und sinnvoll erscheinen, um im Leben bestehen zu können. - Sozialisation:
Heranwachsende Menschen lernen Werte, Normen, Regeln und Verhaltensweisen im Rahmen der vorhandenen gesellschaftlichen Bedingungen. Gleichzeitig setzen sie sich aktiv mit den Lebensverhältnissen auseinander, um einen eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden. Anders gesagt: Evangelische Kinder- und Jugendarbeit vermittelt Kompetenzen, die für das Leben in Gemeinschaft bedeutend und notwendig sind. - Freizeit:
Junge Menschen gestalten ihre Freizeit in für sie sinnvollen und bereichernden Zusammenhängen. Sie bringen ihre eigenen Interessen, Begabungen, Möglichkeiten und Sichtweisen ein. Für sie haben Dinge eine andere Bedeutung,
als die Mitarbeitenden es sich gedacht haben.
Junge Menschen bilden sich in den Aktivitäten der Jugendarbeit.
In der evangelischen Jugendarbeit kommen noch wesentliche Elemente hinzu:
- Glauben:
Evangelische Jugendarbeit lebt durch ihren Bezug auf das Evangelium. Mit und an den handelnden Mitarbeitenden lernen junge Menschen glauben. Die Botschaft und Inhalte der Bibel – das Evangelium – wird durch Tun, Fragen, Vorleben, Hören, Gestalten und Handeln lebendig und begreifbar. - Spiritualität:
Spiritualität bedeutet Leben aus dem Geist Gottes. Es sind die unterschiedlichen religiösen Ausdrucksweisen und Gestaltungen, die das Leben des Einzelnen und der Gruppe stärken und prägen. Gebet und Meditation, Andacht
und Gottesdienst, Singen und Musikmachen, Geschichten erzählen und Spielen, Bibellesen und -interpretieren, Engagement und Stille sowie ethisches Lernen und Handeln beispielsweise sind unterschiedliche Möglichkeiten
von Spiritualität, die den Glauben des Einzelnen stärken und der Gruppe ein christliches Gepräge geben. - Grundauftrag:
Als Grundauftrag und Leitziel wird in der Präambel der „Ordnung der Evangelischen Jugend in Bayern“ beschrieben (OEJ Abschnitt I Nr. 1): „Das gemeinsame Ziel ihrer Arbeit besteht darin, als mündige und tätige Gemeinde Jesu Christi das Evangelium von Jesus Christus den jungen Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit zu bezeugen.“ Daraus lassen sich folgende Bestimmtheiten ableiten:
Evangelische Jugendarbeit lebt durch ihren Bezug auf das Evangelium.
Jugendarbeit versteht sich als evangelisch.
Sie nimmt Bezug auf das Evangelium von Jesus Christus. Sie begründet sich und ihren Wertehintergrund und orientiert sich deshalb immer wieder neu am Evangelium.
Jugendarbeit versteht sich als Gemeinde.
Sie muss nicht erst Gemeinde werden, weil sie mit jungen Menschen arbeitet. Heranwachsende sind in ihrer Art und Weise mündige Menschen im Glauben. Christliche Gemeinde wird sichtbar durch ihr Handeln und Tun. Junge Gemeinde wird erkennbar durch aktives Handeln.
Jugendarbeit nimmt die Lebenswirklichkeit von jungen Menschen ernst.
Sie fragt: Mit wem habe ich es zu tun? Wie ist sie oder er? Was hat diese jungen Menschen geprägt? Was ist ihnen wichtig? Wo schlägt ihr Herz? In dieser Verbindung, Kinder und Jugendliche in ihrem Lebensumfeld wahr- und ernstzunehmen, wächst eine Stärke evangelischer Jugendarbeit.
Jugendarbeit ist Teil kirchlichen Handelns.
Evangelische Jugendarbeit ist Teil der Gemeinde Jesu Christi. Kinder und Jugendliche erleben Gemeinschaft mit ihren vielfältigen Begegnungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Dadurch wird Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden sichtbar und erlebbar. Mit anderen Gemeindegruppen in der Kirchengemeinde vor Ort wird diese Gemeinschaft lebendig und bildet ein großes Netzwerk von Christen.
Junge Gemeinde wird erkennbar durch aktives Handeln.
Evangelische Jugendarbeit in Bayern ist Teil der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Die Struktur der Landeskirche spiegelt sich in den Strukturen der Jugendarbeit wieder. Deshalb organisiert sich evangelische Kinder-/Jugendarbeit in vielen und vielfältigen Bezügen. Planungs- und Entscheidungsebenen sind:
- die Kirchengemeinde,
- der Dekanatsbezirk,
- der Kirchenkreis,
- die Landesebene.
Hinzu kommen die Verbände eigener Prägung, die Mitglied der Evangelischen
Jugend sind:
- Christlicher Jugendbund in Bayern (CJB),
- Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM),
- Evangelische Jugendsozialarbeit (EJSA),
- Evangelische Landjugend in Bayern (ELJ),
- Jugendbund „Entschieden für Christus“ (EC),
- Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP).
Kinder und Jugendliche erleben Gemeinschaft mit ihren vielfältigen Begegnungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Alle Aktivitäten und Arbeitsformen sind selbstverständlicher Teil kirchlichen Handelns. So hat evangelische Jugendarbeit eine doppelte Identität. Sie ist in allem ein kirchliches Arbeitsfeld und gleichzeitig in allem Jugendarbeit als Jugendverbandsarbeit, wie es im Jugendhilfegesetz § 11 beschrieben ist. Durch diese Besonderheit gibt es einen Spannungsbogen, in dem sich Alltagspraxis von evangelischer Jugendarbeit befindet:
- Zwischen „Mitgliedergewinnung für die Kirche“ auf der einen und „Dem freien Mitmachen“ auf der anderen Seite.
- Zwischen „Traditionen vermitteln“ auf der einen und „In kinder- und jugendgerechten Arbeitsformen“ auf der anderen Seite.
- Zwischen „Wir tun etwas für Kinder und Jugendliche“ auf der einen und „Wir tun etwas mit Kindern und Jugendlichen“ auf der anderen Seite.
- Zwischen „Die Jugendlichen sollen in der Gemeinde sichtbar sein“ auf der einen und „In den Aktivitäten und Angeboten sind sie schon selbst Gemeinde“ auf der anderen Seite.
- Zwischen „Werteerziehung“ auf der einen und „Wir leben und gestalten Werte“ auf der anderen Seite.
- Zwischen „Wir bieten an“ auf der einen und „Kinder- und Jugendliche gestalten und entwickeln“ auf der anderen Seite.
- Zwischen „Wo sind die Jugendlichen im Sonntagsgottesdienst“ auf der einen und „Jugendliche feiern in ihnen zugänglichen Formen Gottesdienst“ auf der anderen Seite.
Diese Spannungsbögen müssen von den Handelnden und Mitarbeitenden aus der Kirche und der kirchlichen Jugendarbeit immer wieder thematisiert und in einen konstruktiven Dialog gebracht werden. Sie sind pädagogische Aufgabe für alle Beteiligten. Evangelische Jugendarbeit ist somit Herausforderung für die verfasste Kirche, sich durch Innovationen und Reformen zu erneuern, um die nachwachsende Generation zu gewinnen. Für die Jugendarbeit selbst bedeutet dies, Kinder und Jugendliche in ihren Lebensumständen und den aktuellen Lebensbedingungen als eigenständige Geschöpfe Gottes ernst zu nehmen, um sie zu erreichen. Sie sind für ihr Leben zu stärken und in ihrer Entwicklung zu begleiten. Zu achten ist darauf, dass auf der einen Seite das radikale Ernstnehmen von Kindern und Jugendlichen nicht vernachlässigt und auf der anderen Seite das spezifisch christlich-evangelische nicht verloren bzw. unsichtbar wird.
Evangelische Jugendarbeit hat eine doppelte Identität. Sie ist ein kirchliches Arbeitsfeld und gleichzeitig ein Jugendverband.
